Körpersprache und der Othello-Effekt

Jede:r von uns spricht mit dem Körper und sieht die Körpersprache anderer – schon von Kindesbeinen an. Wir glauben, dass wir Profis im Lesen von Körpersprache sind. Und doch gibt es einige Mythen über Körpersprache, die alle kennen und seit Jahren weitergegeben werden. 

Das berühmteste Beispiel für die Bedeutung der nonverbalen Signale in einem politischen Wahlkampf ist die Präsidentschaftswahl im Jahr 1960 zwischen John F. Kennedy und Richard Nixon: Am 26. September 1960 wurde zum ersten Mal eine Präsidentschaftsdebatte im Fernsehen übertragen. Heute weiß man, dass ohne das Fernsehen John F. Kennedy wahrscheinlich niemals Präsident der Vereinigten Staaten geworden wäre. Die Hochrechnung nach der ersten Fernsehdebatte kürte Kennedy als eindeutigen Sieger. Wähler:innen, die die Debatte nur im Radio verfolgten, waren der Meinung, dass Nixon der bessere Kandidat war.
Bei der Wahl 1960 wurde John F. Kennedy sehr knapp zum Präsidenten der USA gewählt. Selbst Kennedy gab später zu, dass das Fernsehen ihm zum Sieg verholfen hatte. Er war jung, wirkte charmant, gesund und gelassen auf die Fernsehzuschauer:innen. Nixon, der gerade aus dem Krankenhaus kam, wirkte blass, kränklich und schwitzte stark. Aufgrund dieser Wirkung fanden die Wähler:innen, dass Kennedy der bessere Kandidat war. Die Angst vor der visuellen Wirkung war so groß, dass es 16 Jahre lang keine Fernsehdebatten im Wahlkampf gab.

Nicht Worte sollen wir lesen, sondern den Menschen, den wir hinter den Worten fühlen. (Samuel Butler)

Die Blinden und der Elefant – Blickwinkel erweitern
 
Es waren einmal fünf weise Gelehrte. Sie alle waren blind. Diese Gelehrten wurden von ihrem König auf eine Reise geschickt und sollten herausfinden, was ein Elefant ist.
Und so machten sie sich auf die Reise nach Indien. Dort wurden sie von Helfern zu einem Elefanten geführt. Die fünf standen nun um das Tier herum und versuchten, sich durch Ertasten ein Bild von dem Elefanten zu machen.

Als sie zurück zu ihrem König kamen, sollten sie ihm nun über den Elefanten berichten.
Der erste Weise hatte am Kopf des Tieres gestanden und den Rüssel des Elefanten betastet. Er sprach: „Ein Elefant ist wie ein langer Arm.“
Der zweite hatte das Ohr des Elefanten ertastet und sprach: „Nein, ein Elefant ist vielmehr wie ein großer Fächer.“
Der dritte sprach: „Nein, ein Elefant ist wie eine dicke Säule. “ Er hatte ein Bein des Elefanten berührt.
Der vierte sagte: „Also ich finde, ein Elefant ist wie ein kleiner Strick mit ein paar Haaren am Ende.“, denn er hatte den Schwanz des Elefanten ertastet.
Und der fünfte berichtete: „Also ich sage, ein Elefant ist wie eine riesige Masse, mit Rundungen und ein paar Borsten darauf.“ Er hatte den Rumpf des Tieres berührt.

Nach diesen widersprüchlichen Äußerungen fürchteten die Gelehrten den Zorn des Königs, konnten sie sich doch nicht darauf einigen, was ein Elefant wirklich ist. Doch der König lächelte weise: „Ich danke Euch, denn nun weiß ich, was ein Elefant ist: Ein Elefant ist ein Tier mit einem Rüssel, der wie ein langer Arm ist, mit Ohren, die wie Fächer sind, mit Beinen, die wie starke Säulen sind, mit einem Schwanz, der einem kleinen Strick mit ein paar Haaren daran gleicht und mit einem Rumpf, der wie eine große Masse mit Rundungen und ein paar Borsten ist.“
Die Gelehrten senkten beschämt ihren Kopf, nachdem sie erkannten, dass jeder von ihnen nur einen Teil des Elefanten ertastet hatte und sie sich zu schnell damit zufrieden gegeben hatten.
(Frau Maulana Jalaluddin Rumi, aus dem Buch : „Fihi Ma Fih“)

Eine Schwalbe macht noch keinen Sommer! Der Fehler des Othello

Es ist ein Mythos, dass ein einzelnes Signal ausreicht, um festzustellen, wie eine andere Person ist oder sich verhält.

Im gleichnamigen Drama von William Shakespeare beschuldigt Othello seine Frau Desdemona, ihn zu betrügen. Sie weiß, dass ihr Mann sehr eifersüchtig ist und hat Angst, dass er ihr nicht glaubt. Othello sieht ihre Angst und glaubt, dass es die Angst der ertappten Ehebrecherin ist und tötet sie. Kurz darauf erfährt er, dass er einer Intrige zum Opfer gefallen ist.

Wenn wir Othellos Fehler vermeiden wollen, ist es wichtig, der Versuchung zu widerstehen, zu rasche Schlüsse zu ziehen. Viele Menschen machen genau dies. Sie sehen ein körpersprachliches Signal und interpretieren sofort – diese Interpretation kann richtig oder falsch sein. Um Körpersprache korrekt zu interpretieren ist es wichtig, dass mindestens drei Signale auf zwei unterschiedlichen Kanälen in dieselbe Richtung weisen.
Das wohl bekannteste Beispiel: In vielen Seminaren oder auch Büchern wird immer noch erklärt, dass verschränkte Arme Ablehnung zeigen.

Gehen Sie mal kurz in sich, wie oft sitzen Sie in Meetings oder in Gesprächen mit verschränkten Armen? Einfach, weil es angenehm ist, Ihnen vielleicht kalt ist, Sie sich besser konzentrieren können, Sie nicht wissen, wohin mit den Händen? Zeigen Sie dabei ein freundliches Lächeln, sind Sie den Gesprächspartner:innen zugewandt, ist dies wohl eher keine Ablehnung. Wenn Sie Ihre Augenbrauen kritisch zusammenziehen und die kalte Schulter zeigen oder Sie sich abwenden, sieht es schon wieder anders aus.

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